Wenn das Umfeld gegen die Therapie arbeitet

Es geschieht nicht selten, dass KlientInnen nach Aufnahme einer Psychotherapie mit Bekannten, Verwandten und Freunden konfrontiert sind, die Ihnen die Therapie wieder ausreden wollen. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, weil ja viele Schwierigkeiten, die Menschen in Therapie bringen, gerade in diesem Umfeld und teilweise auch durch dieses Umfeld entstanden sind.

Die meisten Menschen unseres Kulturkreises sind sehr stark außen-orientiert, hören also stark auf das, was "man" angeblich tut. In einer Psychotherapie geht es jetzt erstmals darum, was der betreffende Mensch selbst möchte, es geht um seine Wünsche, Bedürfnisse und Gefühle. Das ist für viele Menschen völlig neu und für manche fühlt sich das zunächst sogar falsch an. Eine beträchtliche Zahl von Menschen in unserem Kulturkreis hat sich nie Fragen gestellt wie: Was will ich eigentlich? Was sind meine Bedürfnisse? Was brauche ich, um mich wohl zu fühlen?

Systemisch betrachtet hat das Umfeld ein Interesse, dass der nunmehrige Klient so weiter funktioniert, wie er bisher funktionierte. Würde er plötzlich eigenständiger und unabhängiger, wäre er für die Menschen in seiner Umgebung nicht mehr so leicht zu beeinflussen. Von diesem Umfeld her betrachtet, erscheint er jetzt egoistischer.

Das Problem war schon Sigmund Freud gut bekannt, als er schrieb: "Wenn man den Kranken einschärft, zu Beginn ihrer Behandlung möglichst wenig Personen zu Mitwissern zu machen, so schützt man sie dadurch auch einigermaßen vor den vielen feindseligen Einflüssen, die es versuchen werden, sie der Analyse abspenstig zu machen. Solche Beeinflussungen können zu Anfang der Kur verderblich werden. Späterhin sind sie meist gleichgültig oder selbst nützlich, um Widerstände, die sich verbergen wollen, zum Vorscheine zu bringen." (Freud, 1913)

Gerade am Beginn einer Therapie empfiehlt es sich sehr, möglichst wenigen Menschen von der Aufnahme einer Psychotherapie zu erzählen und auch über die besprochenen Inhalte wenig bis nichts zu erzählen. Es geht ja gerade darum, zu sich zu kommen, sich mit dem eigenen Inneren auseinanderzusetzen und da sind gutgemeinte Ratschläge von Freunden und Verwandten oft wenig hilfreich, ja sogar kontraproduktiv. Dazu kommt noch, dass gerade jene, die von einer Psychotherapie besonders dringend abraten, oft wenig bis nichts darüber wissen, was Psychotherapie eigentlich ist.

Literatur

Freud, Sigmund (1913). Zur Einleitung der Behandlung. Gesammelte Werke: VIII, 454-478.