Jeder ist kreativ!

Sind Sie kreativ? – Das ist eine Frage, die ich so oder ähnlich auch im Rahmen einer Psychotherapie oder Beratung häufiger stelle. Und fast immer wird sie verneint. Das liegt zum großen Teil daran, dass Menschen in unserem Land unter Kreativität nur verstehen, ob sie zeichnen oder malen könnten. Werfen wir dagegen einen Blick in die Wikipedia-Definition von Kreativität, so steht dort: "Kreativität ist die Fähigkeit, etwas zu erschaffen, was neu oder originell und dabei nützlich oder brauchbar ist."

Ein Rechtsanwalt wäre dieser Definition zu Folge kreativ, wenn er für eine Verteidigung ein Gesetz verwendete, das üblicherweise für ähnlich gelagerte Fälle nicht herangezogen wird. Ein Arzt wäre kreativ, wenn er therapeutisch etwas Neues ausprobierte. Handwerksberufe sind obiger Definition zu Folge fast automatisch kreative Berufe, weil hier fast immer etwas Neues geschaffen wird. Die Zusammenstellung eines Fotobuches kann ein kreativer Akt sein, ebenso das Schreiben eines E-Mails für ein Bewerbungsschreiben oder das Anlegen eines Blumengartens. Beim Kochen eine neue Zutat zu probieren, wäre ebenso ein kreativer Akt, wie die eigene Wohnung einzurichten oder eine neue Lösung für ein Alltagsproblem zu finden. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Dass viele Menschen einen so eingeschränkten und einen tendenziell abwertenden Blick auf Kreativität haben, lässt tief blicken, was unser Schulsystem angeht, in dem, wie mir scheint, Kreativität eher abgewürgt als gefördert wird.

Wie kann die eigene Kreativität angeregt werden?

Es gibt ein paar Methoden, wie Sie die eigenen Kreativität fördern können. Beobachten Sie zunächst, wo Ihnen witzige, neue und kreative Einfälle am häufigsten einschießen. Unter der Dusche? Beim Spazierengehen? Kurz nach dem Aufwachen? Beim Zähneputzen? Suchen Sie diese Tätigkeiten und Orte bewusst auf, wenn Sie kreative Einfälle benötigen!

Nützlich ist auch, stets einen Notizblock (ein Smartphone mit Notizfunktion tut es auch) parat zu haben, um Gedanken, die spontan kommen, zu notieren. Auf diese Weise kann nichts verloren gehen.

Anregend kann auch sein, wenn Sie routinemäßige Abläufe einmal bewusst anders machen. Etwa einen anderen Weg zur Arbeit nehmen als sonst. Als Rechtshänder mit der linken Hand Zähneputzen oder ähnliches. Dieses Durchbrechen der Routine regt das Gehirn zu neuen Suchprozessen an und fördert damit Kreativität.

Als sehr hilfreich empfinde ich auch die sogenannte "Brabbel-Übung". Dabei nehmen Sie ein beliebiges Bild (eine Ansichtskarte, ein Foto auf Facebook, ein Zeitschriften-Cover, etc.) zur Hand und versuchen ohne Unterbrechung drei Minuten lang darüber zu sprechen. Wichtig ist es, keine Pause zu machen, sondern ständig weiterzureden. Das erhöht nicht nur die Kreativität, sondern wahrscheinlich auch die Intuition und bringt Sie stärker ins rechte Hirn. Außerdem reduziert diese Übung unsere Tendenz, eigene Gedanken ständig zu zensurieren (z.B. mit folgenden entwertenden Gedanken: "Das ist unwichtig", "Das empfindet mein Freund sicher als langweilig", "Damit mache ich mich nur lächerlich", "Die anderen sind so viel klüger als ich"…).

Diese Übungen sind kein Selbstzweck, sondern werden Ihnen in Zukunft helfen, schneller Lösungen für Alltagsprobleme, schwierige soziale Situationen oder Fragestellungen im Beruf zu finden.