Prokrastination und die Hintergründe

Prokrastination

Als Prokrastinaut – das Wort gibt es eigentlich gar nicht – bezeichne ich hier jemanden, der dazu neigt, zu prokrastinieren, also Dinge aufzuschieben. Der Fachausdruck "Prokrastination" wird im Deutschen meist als "Aufschieberitis" übersetzt. Sehr viele Menschen neigen dazu, Dinge, die sie sich vorgenommen haben, immer wieder aufzuschieben. Angeblich ist dieses Verhalten (als Krankheit im eigentlichen Sinne kann man es nicht bezeichnen) bei Student:innen besonders verbreitet.

Klar, lernen kann unangenehm sein, vor allem dann, wenn der Lernstoff mehrere Tausend Seiten umfasst. Und dann sitzen wir als Prokrastinauten in unserem Zimmer, sollten eigentlich lernen, einen Artikel schreiben oder eine Bewerbung und entdecken gerade in dem Moment, dass unsere Fenster wieder einmal geputzt werden sollten oder jemand die Küche saubermachen sollte. Mit einem Wort, wir entdecken unzählige kleinere Arbeiten, die auch erledigt werden müssen und die uns jetzt lieber wären als dieses ganz große Projekt. Wir schieben also auf, zunächst 10 Minuten, dann eine Stunde und irgendwann "zahlt sich das heute nicht mehr aus".

Sie finden im Internet unzählige Tipps, wie Sie dieses Verhalten überwinden können. Mir geht es an dieser Stelle eher um die psychodynamische Seite dieses Verhaltens. Wir erleben bei der Prokrastination IN UNS einen Konflikt zwischen Dingen, die wir tun sollten und einer psychischen Instanz, die das nicht will. Wir stoßen auf Widerstand. Dieser Widerstand kann uns häufig Hinweise auf Versäumtes liefern. Habe ich mir wieder zu wenig Erholung gegönnt, zu wenig geschlafen, zu wenig Zeit mit Freunden verbracht? Habe ich generell Probleme mit Strukturen? Wie ist meine Stimmung zur Zeit? Wann war ich zuletzt in einer positiven, neugierigen Stimmung und hoch motiviert und wie komme ich wieder dahin? – All das sind Fragen, die den inneren Konflikt klären helfen könnten und uns einen Schritt weiter bringen.

In einigen Fällen könnte der Widerstand auch daran liegen, dass wir die Tätigkeit nicht unseren Anlagen entsprechend planen. Bin ich beispielsweise ein eher auditiver Typ, nützt es wenig, stundenlang zu lesen. Das Lernen umfangreicher Texte sollte dann entsprechend angepasst werden, entweder durch das Hören von aufgezeichneten Vorlesungen, Hörbüchern oder eigenen Aufnahmen wichtiger Inhalte. Mit anderen Worten, es geht auch darum, herauszufinden, wie wir am besten lernen und in den Zustand hoher Konzentration und Motivation kommen. Ist unser Arbeitsplatz störungsfrei oder liegt das Smartphone daneben, das im Minutentakt neue Benachrichtigungen meldet? Lernen wir in einem Raum, in dem wir jederzeit von anderen Menschen gestört werden können? Sind andere wichtige Aufgaben bereits erledigt oder haben wir eine lange "To Do-Liste" im Kopf?

In manchen Fällen könnte auch eine Depression die Ursache für die fehlende Motivation sein. Diese wird dann aber in der Regel länger anhalten und nicht nur einmal auftreten. Beruhigend ist, wenn Sie trotz des Aufschiebens in der Regel immer alles geschafft haben, was Sie sich vorgenommen haben. Wenn Sie jedoch schon länger nichts mehr geschafft haben, was auf Ihrem Plan stand, könnte eine psychische Störung die Ursache sein. Dies wäre dann gemeinsam mit einem erfahrenen Psychotherapeuten abzuklären.