Psychotherapie verändert das Gehirn

Dass Psychotherapie das Gehirn verändern kann, hatte man schon länger vermutet. Nun hat ein Schweizer Forscherteam diese Vermutung bestätigt. Durch eine mehrwöchige Therapie normalisierten sich insbesondere jene Gehirnstrukturen, die für die Regelung und Verarbeitung von Emotionen zuständig sind. Eine andere Publikation von Mario Beauregard wies darauf hin, dass psychotherapeutische Interventionen die Hirnfunktionen stabilisieren können, wie insbesondere für Angststörungen und Depressionen gezeigt werden konnte. Selbst der Serotoninspiegel hatte sich nach 12 Monaten Psychotherapie signifikant zum Positiven verändert (Beauregard, 2014).

Psychotherapie scheint insbesondere deshalb nützlich zu sein, weil wortwörtlich alte neuronale Bahnen verlassen werden und das Gehirn angeregt wird, neue Vernetzungen zu bilden. Insofern scheint auch all das in der Therapie hilfreich zu sein, was den Klienten dazu motiviert, Neues auszuprobieren.

Besonders im Falle einer Depression weist etwa Grawe (2004) darauf hin, dass die kurzfristige Besserung nach etwa 6 bis 10 Wochen Therapie trügerisch sein kann. Vereinfacht ausgedrückt liegt das daran, dass die neuronalen Bahnen für Trauer, Leid und Depression im Gehirn quasi wie Autobahnen ausgebaut sind, während die neuronalen Netzwerke für Freude und andere positive Gefühle eher schmalen Fußwegen gleichen. Eine Therapie sollte demnach so lange dauern, bis der Klient ausreichend Fähigkeiten entwickelt hat, sich zu freuen, positive Aktivitäten von sich aus zu suchen und Strategien entwickelt hat, depressiver Stimmung aktiv vorzubeugen. Nur dann ist gewährleistet, dass die entsprechenden Strukturen im Gehirn ausreichend gefestigt sind, um einen Rückfall in die Depression zu verhindern.

Solche und ähnliche Studien mögen einerseits Skeptiker von der Sinnhaftigkeit von Psychotherapie überzeugen, andererseits könnten sie auch belegen, warum Psychotherapie länger dauert als andere medizinische Interventionen. Wenn es nämlich darum geht, Gehirnstrukturen nachhaltig und dauerhaft zu verändern, ist leicht nachvollziehbar, dass dies Zeit benötigt. Beispielsweise würde auch niemand erwarten, dass er eine neue Fremdsprache in nur zwei Wochen erlernen könnte. Wenn aber klar ist, dass Psychotherapie nachhaltige Veränderungen im Gehirn bewirken kann, dann dürfte auch einsichtig sein, dass sich zwei oder drei Jahre Psychotherapie möglicherweise für ein ganzes Leben lohnen könnten.

Literatur

Beauregard, Mario (2014). Functional neuroimaging studies of the effects of psychotherapy. In: Dialogues in Clinical Neuroscience (2014, Vol 16, S 75).

Grawe, Klaus (2004). Neuropsychotherapie. hogrefe Verlag.